Yearly archives "2018"

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Sternstunde des Chorgesangs

Nassauische Neue Presse – 07.08.2018

Lindenholzhausen. Der Männerchor der „Harmonie“ Lindenholzhausen hatte zu einem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Chorkonzert eingeladen. Mit dabei: herausragende Gäste aus Fernost.

Am Ende bezeichnete der „Harmonie“-Vorsitzende Manfred Neunzerling den Abend als „Sternstunde des Chorgesangs“. Die langanhaltenden stehenden Ovationen und Zugabe-Rufe bestätigten, dass er damit den Zuhörern aus dem Herzen sprach. Als Konzertpartner hatten die Sänger der „Harmonie“ um ihren musikalischen Leiter Martin Winkler das Ensemble „Imusicapella“ von den Philippinen gewonnen. Der von seinem Dirigenten Tristan Caliston Ignacio 2002 gegründete Chor zählt heute zu den leistungsstärksten seines Landes und ist Träger internationaler Preise und Auszeichnungen.

Den Auftakt bildete ein von der „Harmonie“ vorgetragenes Potpourri populärer Titel aus der Feder von Friedrich Silcher. Diese Herzstücke der deutschen Männerchorliteratur lagen bei den Sängern aus Lindenholzhausen, die seit vielen Jahren als einer der besten Männerchöre des deutschen Sprachraums gelten, in besten Händen. Vereint wurde dieses Potpourri durch die versierte wie umsichtige Klavierbegleitung von Klaus Cutik. Mit dem a cappella vorgetragenen Titel „Untreue“ demonstrierten die Sänger die musikalische Finesse dieser Chorsätze. Angesichts der Unerschöpflichkeit des Silcherschen Oeuvres hätte man sich von diesen Interpreten auch ein paar weniger bekannte Melodien gut vorstellen können.

Bereits das melancholische „Herbstlied“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy, dargeboten von den Gästen aus Fernost, zeigte einen kammermusikalischen Gesamtklang mit beispielhafter Textdeklamation, von der zahlreiche deutsche Chöre noch lernen könnten. In Werken, wie „Gloria, laus et honor“ von J. Balsamo oder dem „Psalm 117“ von J. Vajda demonstrierten die Sängerinnen und Sänger unter dem sparsamen Dirigat des musikalischen Leiters die Fähigkeit, unterschiedliche musikalische Charaktere in einem Werk schlüssig zu verbinden. In „Mate saule“ und „Laudate Dominum“ der baltischen Komponisten P. Vasks und G. Svilainis meisterte „Imusicapella“ rhythmisch höchst komplexe Musik. Den Abschluss dieses ersten Blocks bildete ein furioser Mambo. Alles dies wurde auswendig vorgetragen und dirigiert. Beides ein Indiz für die souveräne Beherrschung der Materie, welche die Sopranstimmen in schwindelerregende Höhen trieb und ein unglaubliches Tempo erreichte, ohne dass die Präzision darunter litt.

Den zweiten Teil eröffnete die „Harmonie“ mit einem Spiritual-Medley, in dem Kompositionen der amerikanischen Chorkomponisten Moses Hogan, Richard Gilliam und Robert Shaw miteinander verbunden wurden. Mit „My soul is been anchored“, ebenfalls von Moses Hogan, unterstrich Martin Winkler, dass seine Sänger auch dieses Genre gekonnt bedienen.

„Imusicapella“ demonstrierte auch in der zweiten Konzerthälfte, wie flexibel das Ensemble mit unterschiedlichen Stilen umzugehen weiß. Zunächst wurde dies erlebbar mit „Slana padna gane“ von Dobri Hristov, das deutlich von der osteuropäischen Chortradition inspiriert schien. Mit „Pamugun“ von Francisco Feliciano gelang dem Chor ein rhythmisches Feuerwerk, das trotz des Tempos nie an klanglicher Dichte und deklamatorischer Präzision einbüßte. Die tolle Chorleistung wurde noch unterstrichen durch zahlreiche solistische Leistungen, die dem Charakter der Stücke, darunter „Imagine“ von John Lennon oder „Thousand Years“ von Christina Perri, nichts schuldig blieben. Das Chorarrangement von „We will rock you“ geriet zur grandiosen Choreographie, die auch ohne Dirigent perfekt dargeboten wurde – wie das eindrucksvolle Finale: „The circle of life“.

Wahrlich eine Sternstunde des Chorgesangs.

Gemeinsames Konzert mit Vielfalt – Drei Chöre tun sich zusammen und begeistern die Zuschauer

NNP – 17.04.2018

von Gertrud Brendgen

Niederbrechen. Es war ein musikalischer Leckerbissen. Chorklang, der unter die Haut geht! Anders kann man es nicht nennen, was der MGV Eintracht Oberbrechen mit den beiden Gastchören, Harmonie Lindenholzhausen und EXtraCHORd Montabaur in der Kulturhalle Niederbrechen präsentierte.

In einer “fremden” Halle und doch zu Hause: Karl-Gisbert Roth, Vorsitzender des MGV, verwies auf das mitgebrachte und im wahrsten Sinne großartige Bühnenbild mit der Ansicht von Oberbrechen. Der Vorsitzende dankte den Gastgebern und begrüßte die Ehrengäste, allen voran Bürgermeister Frank Groos und den Landtagsabgeordneten Joachim Veyhelmann.

Anfang 20, ehemaliger Domsingknabe und seit einen dreiviertel Jahr Dirigent des MGV Eintracht Oberbrechen: Das ist Maximilian Schmitt. Er ist talentiert, selbstbewusst und ideenreich. Seine Begeisterung überträgt er direkt auf den Chor, und diese geben sie weiter an das Publikum. Mit einem wunderbar weichem Chorklang, der Friedrich Silchers “Loreley” zu einer berührenden Geschichte werden lässt. Oder bedächtig durch dunkle Gassen führt, durch die der Geselle “In der Ferne” entschwindet. Um solche Stimmungen zu erzeugen, ist ein guter Blick-Kontakt zwischen Sänger und Dirigent Voraussetzung. Und genau das fordert Schmitt von den Herren, indem er zum Beispiel einfach die Arme verschränkt statt zu dirigieren und allein durch seinen Blick und Mimik durch das Lied “Frisch gesungen” führt. Da war nicht nur das Publikum überrascht, auch die Sänger hatten keine Ahnung von diesem “Experiment” — das im Übrigen hervorragend geglückt war. Dass auch Trinklieder durchaus geschmeidig klingen können, zeigte der MGV mit “Ein König ist der Wein”: Temperamentvoll, mit durchaus markanten Bass-Passagen. Wenn der Dirigent am Ende des Liedes das Weinglas Richtung Publikum erhebt, schließt man sich dem “Wohlsein” herzlich gerne an.

“Hear My Prayer”

Die Harmonie Lindenholzhausen ist ein Männerchor der Extraklasse. Einfach die Augen schließen und sich in diese umfassende von Dirigent Martin Winkler gezügelte und fein geformte “Stimmgewalt” der knapp 70 Herren fallen lassen. Sich dem vollen Sound und kunstvoll-dezenten Schnörkeln des Liedes “Hear My Prayer” hingeben und sich am Ende von einem über dem gesamten Raum schwebendem „Amen” sanft zudecken lassen. Fasziniert beobachten, wie der Dirigent von der Bühne kommt, sich auf einen Stuhl stellt und das doppelchörige und durch und durch ergreifende “Agnus Dei” aus Flotows Dorfmesse dirigiert.

Dann erklingt wieder hinreißend schlicht und in glasklarer Präzision “Im Dorf da geht die Glocke schon” um gleich danach wieder die doppelchörige Aufstellung einzunehmen und Alwin Schronens “Te deum laudamus” vorzutragen. Im zweiten Teil des Konzerts widmete sich der Meisterchor einem Thema, das Männer richtig gut können — sagt Dirigent Winkler: Dem Liebeslied. Dabei stellten sie zeitgenössische Chorwerke des Amerikaners Matthew Harris deutschen Volksliedern gegenüber. Ein spannendes Kontrast-Programm, dessen Highlight für das Publikum gewiss die “Untreue” war. Vertraut und trotzdem selten so ergreifend gehört, ganz ohne Kitsch und Pathos.
Dass diese harmonische Einheit aus 70 Stimmen auch Solo Talente in sich birgt, zeigte sich bei der Zugabe “My Soul Is So Happy” mit Andreas Jung und Michael Hoffmann als Solisten.

Vor diesem “Happy End” kamen die Zuhörer allerdings noch in den Genuss des “Ensemble EXtraCHORd Montabaur”. Traumhaft sicher intonieren und interpretieren diese “Auswahlsänger” internationale, überwiegend zeitgenössische Chor-Literatur. Unter der Leitung von Martin Ramroth gestalten die neun Damen und fünf Herren Tonbilder in allen Facetten. Mal lyrisch-klassisch wie bei “Good Night, Dear Heart”, eine Komposition von Dan Forrest nach einem Gedicht von Mark Twain.

Beinahe sphärisch erklingt “My Love Dwelt In Northern Land” von Edward Elge, ein Lied über Tod und Trauer. Bei “Tykus Tykus” war es wiederum der Rhythmus und die aufregend gestaltete Dynamik, die die Geschichte von dem Reitersmann und dem verführten Mädchen bildhaft machte. Das Thema Liebe nahm dann im zweiten Programmteil des Ensembles “Gestalt” an. Wie schon die beiden anderen Chöre, bot auch EXtraCHORd ausschließlich A-Capella-Gesang. Wenn man von einer kleinen Ausnahme absieht: Das letzte Lied des Ensembles erzählte die Geschichte von Johann Sebastian Bach, der für seine d-Moll Toccata verzweifelt nach einer Fuge sucht. Ein unterhaltsames und vor allem hochkarätiges Konzert das eindrucksvoll zeigte, wie umfassend das “Instrument” Stimme klingen kann!